Strategien der Prostitutionsgegner*innen

Gerade habe ich einen Artikel aus der Emma gelesen und sehr lange darüber nachgedacht, ob ich bei Twitter darauf antworte. Ich habe angefangen zu schreiben und egal was ich in den Tweet bringen wollte, alles klang nach Rechtfertigung. Wer von euch also mal einen sehr strategischen Artikel von Prostitutionsgegner*innen lesen möchte, hier ist er: Die Chance zum Ausstieg.

Mich nervt diese nicht konstruktive Art sehr und macht mich ohnmächtig und wütend. Somit möchte ich heute ein wenig über die Strategien und Taktiken der Gegnerfront schreiben, damit deutlich wird womit wir es eigentlich zu tun haben. An gewissen Stellen macht es überhaupt keinen Sinn in eine Auseinandersetzung zu gehen, da durch diese Strategien niemals ein offener Diskurs entstehen wird.

Wirklich gut, dass ich grad soviel Zeit habe „dank Corona“ diesen Gedanken zu“Papier“ zu bringen.

Das fällt mir wieder der Tweet der Frau B. ein, den sie am 13. März 2020 bei Twitter veröffentlicht hat, in dem sie unter anderem auf meine Kosten darüber spottet, dass „Man(n) ja schon mal üben könne“. Dieser besagte Spott -Tweet wird ganz unten in dem Artikel der Emma sogar gehypt, was ich persönlich peinlich und erschütternd finde. Solch eine Aussage ist für alle Sexarbeiter*innen, die wegen Corona mit einem Arbeitsverbot belastet sind, einfach nur verachtend. Frau B. freut sich ganz offensichtlich darüber, dass diese Frauen, Männer und Trans-Menschen in kürzester Zeit ihre Mieten nicht mehr zahlen können.

Die Prostitutionsgegner*innen insbesondere hier in Stuttgart, Sisters eV. und Rotlichtaus oder IchBinKeinFreier sind unterschiedliche Vereine und Kampagnen der Gegnerseite, die schon viele Jahre an einem Teppich gegen Sexarbeit knüpfen. Allesamt sind ausschließlich daran interessiert Sexarbeit in jeglicher Form zu beenden. Mir scheint, diese Gegner*innen sind sehr gut darin gecoacht und geübt sind, zu argumentieren, um von sich selber abzulenken und um ein ganz bestimmtes Bild von Sexarbeit in der Welt zu verbreiten, dass gewiss zwar „einer“ Realität entspricht aber niemals die gesamte Bandbreite einbezieht.

Zurück zu den Strategien, eine weit verbreitete Taktik ist es, die Fronten zu spalten. Wie auch in dem oben genannten Artikel, wird stets versucht unter Sexarbeiter*innen und auch in der Gesellschaft in „quasi“ gut und böse zu spalten. Die guten Sexarbeiter*innen die viel Geld verdienen und gute Bedingungen haben, sind die privilegierten und die anderen sind die Opfer, die die man retten muss. Und um zurück zu kommen zu dem Bild was von der Gegnerseite propagiert wird – es handelt sich ausschließlich um DAS Bild des Opfers was verbreitet wird – nur darum drehen sich grundsätzlich alle den Diskussionen. Das beutetet es kann niemals ein offener Diskurs entstehen, weder mit einem zwanghaften Erhalt von dieses Bildes, noch mit einer derartigen Spaltung. Im Bezug auf die Spaltung sollte ich noch erwähnen, dass immer wieder dargelegt es, dass wir „privilegierten“ Sexarbeiter*innen nicht mitreden dürften, weil wir ja „gaaar keinen“ Vergleich geben. Entmachtung ist dann wohl ein weiterer Strategiepunkt.

Für einen offenen Diskurs, wäre es jedoch von grundlegender Wichtigkeit, dass allen KLAR wird, dass rechtlich alle Bereiche der Sexarbeit, im ProstituiertenSchutzGesetz gleichermaßen abgehandelt werden. Tantrastudios, Laufhäuser, BDSM-Studios, Sexarbeit in Wohnmobilen, auf dem Straßenstrich, Personen die in Swingerclubs animieren… Die Liste ist lang und im ProstSchG wird eben nicht in „gut“ und „böse“ getrennt. So lang wie diese Liste ist, wird deutlich, was alles Sexarbeit ist – und glaubt mir – der Anteil an Sexarbeiter*innen, der nicht zu der vermeintlichen Kategorie „Opfer“ gehören ist erstaunlich groß.

Ach und hier sei auch nochmal der Punkt Menschenhandel und ZwangsProstitution erwähnt. Allen sollte ebenfalls KLAR sein, das Menschenhandel gesetzlich geregelt ist und das das Wort ZwangsProstitution eigentlich ein Unwort ist. Sex unter Zwang ist Vergewaltigung und das wiederum ist strafrechtlich auch geregelt. Da sind wir bei der nächsten Strategie angelangt. Dramatisieren mit schlimmen Beispielen und schlimmen Worten. Auf der Gegnerseite ist es sehr weit verbreitet nur mit traurigen, dramatischen und bildhaften Beschreibungen zu argumentieren. Skandalisierte Bilder setzen sich natürlich schnell in den Kopf der Menschen, vor allem denen, denen die breite Vielfalt der Sexarbeit nicht klar ist.

Ein weiterer Punkt, der in dem Artikel auch gut erkennen ist, ist „Angriff ist die beste Verteidigung“. Bei dem Akt, den Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistung so anzugehen, verschiebt das Thema vollkommen. Im Tweet um den Artikel herum ging es im die Frage, was die ganzen Vereine z.B. Sisters denn aktuell tun, um Sexarbeiter*innen die kein Geld verdienen können, zu unterstützen. Wenn man die Kommunikationen verfolgt, wird schnell deutlich das diese Organisationen wenig bis gar nicht dazu beitragen, die Bedingungen für Sexarbeiter*innen wirklich zu verbessern. Um das zu verschleiern, wird mit Gegenfragen und mit Angriffen agiert. Im Artikel wird der BerufsVerband angegriffen, Argumentiert wird mit Dingen die bisher noch nicht getan wurden. Vorhin habe ich wirklich lange darüber gegrübelt, was ich bei Twitter dazu schreiben kann – aber mir fiel nicht ein, was nicht nach Rechtfertigung klingt. Und ich bin Mitglied im BesD, ich könnte also eine Menge erzählen, von dem was alles wirklich passiert um die Bedingungen für Sexarbeiter*innen, insbesondere im Bereich der prekären Sexarbeit, zu verbessern. Solch ein Handeln weist die GegnerSeite eben nicht auf – deswegen feinden sie den BesD an. Ach und der BesD wird in dem Artikel „LobbyVerband“ genannt – eine weitere Taktik um quasi Fakten zu verwaschen, denn dr Berufsverband ist ein Verband aus aktiv arbeitenden Sexarbeiter*innen. Das Wort LobbyVerband in dem Artikel hinlässt einen schrägen Beigeschmack und zielt (in meinen Augen) scheinbar darauf ein Bild zu hinterlassen, das etwas mit Zuhälterei zu tun hat. (Aber vielleicht bin ich da auch gerade sehr empfindlich)

Ach, Spott ist auch eine gängige Taktik. Hier ein Zitat aus den Emma. „Apropos geiler Job“ Wir erinnern uns an Vertreter*innen der ProProstitutionsLobby, die in Talkshows Mantren der glücklichen Prostituierten herunterbeten….. Ja, da werden auf spöttische Weise, die öffentlichen Auftritten der wenigen Sexarbeiter*innen, die für Anerkennung, gute Bedingungen und Differenzierung der Sexarbeit auftreten, verzerrt und nicht erstgenommen. Apropos „Ernstnehmen“ – ernst genommen wird von der Gegnerseite selten jemand, der in der öffentlichen Diskussion, versucht pro Sexarbeit zu argumentieren.

Und, es wird in der Gegnerfront sehr häufig mit Zahlen jongliert, also mit vermeintlichen Fakten, die jedoch keine sind. Nirgendwo gibt es auch nur einen Ansatz, eine Studio oder Statistik etc. die die Zahlen die z.B. im Text genannt werden, unterstützen. Die 90 Prozent sind schlicht und ergreifend gelogen. Naja, sie wären vielleicht nicht, wenn man ausschließlich von dem Standpunkt Menschenhandel und Armutsprostitution ausginge. ? Tut man ja aber nicht, denn wie WIR wissen ist Sexarbeit weitaus mehr.

Ach, ich könnte den Artikel noch weiter auseinander pflücken, könnte mich richtig in Fahrt bringen, aber dann weiche ich zu sehr von den Strategien ab, die ich deutlich machen wollte.

Aber ich fasse die Strategien und Taktiken nochmal zusammen:

  • Spaltung unter Sexarbeiter*innen
  • Angriff ist die beste Verteidigung, Fragen werden mit Gegenfragen oder Angriffen abgewehrt
  • Entmachtung der Sexarbeiter*innen
  • Verbreiten von Unwahrheiten = Lügen
  • Dramatisieren und skandalisieren von einseitigen Bildern und Sprache
  • Nur ein Bild von Sexarbeit gelten zu lassen
  • Spott

4 Antworten auf „Strategien der Prostitutionsgegner*innen“

  1. „Die guten Sexarbeiter*innen die viel Geld verdienen und gute Bedingungen haben, sind die privilegierten …“

    Möchte ich so ncht stehen lassen. Für Sisters & Co. gibt es zwar privilegierte aber keinesfalls gute Sexarbeiter_innen! Die Privilegierten werden gehasst und die „Opfer“ sollen zwangsgerettet werden. Das Ziel ist letztendlich die Abschaffung der Prostitution und dazu ist denen (nahezu) jedes Mittel recht.

  2. Tya da haben wir es wieder…es hört euch keiner zu geschweige den werdet ihr gefragt…

    Eure Gegner putern laut los, weil wie ich ja schon oft gesagt haben Sexualität immer noch als was schlechtes angesehen wird. Würden die Menschen damit offner umgehen können, und auch andersartigkeit Akzeptiert werden, würde man diesen Gegnern nicht mehr zuhören…

    Aber das zieht sich ja schon durch unsere Menschengeschichte durch das wer am lautesten gegen etwas schimpft der kriegt am meisten zuspruch. Viele Menschen betrachten selbst nicht was war ist, sondern springen auf die Masse drauf an…

    Daher darf man nicht aufgeben und muss kämpfen…eben bis euer Berufsstand mit genau so viel Respekt bekommt wie andere Bereiche…

  3. Ich habe den Emma-Artikel gelesen und kann Ihrer Analyse nur voll und ganz zustimmen. Kann es sein, dass die Autorin des Artikels ihr Handwerk bei der Bild-Zeitung gelernt hat? Guter Journalismus sollte ausgewogen sein und informieren. Dieser Artikel bietet nur nicht nachprüfbare Zahlen ohne Quellenangaben und einige wüste Behauptungen aus der untersten Klischee-Schublade. Das ist Stimmungsmache auf ganz niedrigem Niveau, mehr nicht. Zum Glück gibt es auch feministische Autorinnen, die wesentlich differenzierter und niveauvoller über das Themenfeld der Prostitution berichten.

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